Matthias Zieschang, Finanzchef des Flughafenbetreibers Fraport, ist der CFO des Jahres 2020. Er wurde am gestrigen Mittwochabend bei der Structured FINANCE E-Paper Week gekürt. Der 59-Jährige leitet seit April 2007 die Finanzabteilung von Fraport und musste mit der Corona-Pandemie in diesem Jahr die mit Abstand größte Krise in der Fraport-Unternehmensgeschichte meistern. Dabei gelang es ihm, trotz des weitgehenden Groundings des Luftverkehrs und enorm hoher laufender Kosten den Fraport-Konzern jederzeit liquide und handlungsfähig zu halten.
CFO Zieschang sendete „klares Signal“ nach außen
Auf den Lockdown des öffentlichen Lebens im März, der praktisch über Nacht rund 90 Prozent der Umsätze von Fraport auslöschte, reagierte Zieschang mit einem mutigen Plan: Seinem Team und seinen Bankpartnern setzte er das Ziel, binnen vier Wochen 1 Milliarde Euro vom Kapitalmarkt zu holen. Ein Unterfangen, das selbst in normalen Zeiten in einer so kurzen Zeitspanne praktisch ein Ding der Unmöglichkeit ist.
Doch das Fraport-Finanzteam erreichte Zieschangs Ziel nicht nur, mit 1,2 Milliarden Euro wurde es sogar noch übertroffen. Und in den Folgemonaten arrangierte der Fraport-Finanzchef noch weitere Finanzierungen über insgesamt 1,5 Milliarden Euro – zu Zinskosten von im Schnitt nur 0,8 Prozent pro Jahr. Dazu zählte im Juli auch der größte Bond eines ungerateten deutschen Unternehmens seit Jahren mit einem Volumen von 800 Millionen Euro.
Das Preisträgerinterview
Inzwischen liegen 3 Milliarden Euro als Krisenpolster in der Kasse von Fraport, und den Schlüssel dafür sieht Zieschang in seinem konsequenten Vorgehen während des Lockdowns: „Die erste Milliarde war ein klares Signal nach außen, dass wir solide sind und das durchstehen werden“, sagte er im Preisträgerinterview mit FINANCE-TV.
Radikales Handeln bei Capex und Kosten
Gleichzeitig kürzte Zieschang massiv die Investitionen und die laufenden Kosten, mit dem Resultat, dass sich der Cash-Burn selbst in den Monaten des nahezu kompletten Stillstands an den Konzernflughäfen auf nicht mehr als 150 Millionen Euro im Monat belief – trotz der riesigen ungenutzten Infrastruktur. Anfangs im Wesentlichen, später im Jahr dann ausschließlich gingen die Cash-Abflüsse auf die Ausgaben für den Bau des neuen dritten Terminals am Frankfurter Flughafen zurück.
Bis zum Sommer gelang es der Fraport-Führung, die operative Break-even-Schwelle um zwei Drittel abzusenken, schon im dritten Quartal konnte Fraport operativ wieder schwarze Zahlen schreiben. In den nächsten Jahren, so der Plan, sollen die Kosten auch nachhaltig und ohne Kurzarbeit um mindestens 20 Prozent sinken, damit Fraport selbst dann wieder zu alter Ertragsstärke zurückfinden kann, wenn der Luftverkehr dauerhaft nicht wieder das Vor-Corona-Niveau erreichen sollte.
FINANCE-Köpfe
Zieschang will 3 Milliarden in der Kasse sehen
Weil der Bau des neuen Terminals bis zum Jahr 2025 Investitionen von 4 Milliarden Euro erfordern wird und eine starke Erholung des Flugverkehrs alles andere als sicher ist, will Zieschang an seiner konservativen, liquiditätsorientierten Finanzierungsstrategie festhalten. Auch für das kommende Jahr plant er diverse Kapitalmarkttransaktionen. Als Richtschnur für den Kassenbestand gilt bis auf weiteres die Marke von 3 Milliarden Euro. „Damit wären wir in der Lage, eine Krise für sehr lange Zeit finanziell durchzuhalten“, erklärte Zieschang im Sommer in einem seiner Corona-Krisenberichte.
„Ich freue mich sehr über diese Auszeichnung“, sagte er am Rande der gestrigen Preisverleihung. „Dass wir es geschafft haben, das Unternehmen zu stabilisieren, die Liquidität zu sichern und gleichzeitig zu restrukturieren, ist eine Teamleistung. Einen großen Beitrag haben die vielen Beschäftigten geliefert, die den notwendigen Sparkurs mitgetragen haben und in Kurzarbeit gegangen sind – und diejenigen, die ein Abfindungsangebot angenommen haben oder in Altersteilzeit gehen. Die Opfer, die viele Beschäftigte nicht nur aus der Luftfahrtbranche in diesen Zeiten bringen müssen, sind groß. Insofern ist das eine Auszeichnung, die ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge entgegen nehme.“
Mit Blick nach vorne ergänzte Zieschang: „Es liegt noch viel Arbeit vor uns. Aber ich bin überzeugt, dass wir das schaffen werden.“
Die früheren CFOs des Jahres
Matthias Zieschang ist der 16. CFO des Jahres, den FINANCE kürt. In den vergangenen vier Jahren erhielten Olaf Holzkämper (Cewe, 2019), Konstantin Sauer (ZF Friedrichshafen, 2018), Stefan Kirsten (Vonovia, 2017) und Ralph Heuwing (Dürr, 2016) die Auszeichnung. Der Preis wird alljährlich im Rahmen der Structured FINANCE vergeben, der führenden Kongressmesse für Unternehmensfinanzierung in Deutschland, die in diesem Jahr wegen Corona in eine viertätige SF Digital Week umgewandelt wurde.
Info
Welche Finanzchefs sind in der Vergangenheit schon ausgezeichnet worden? Eine Übersicht über alle CFOs des Jahres seit 2005 finden Sie in der Hall of Fame der CFOs des Jahres.
Mehr über Werdegang, Persönliches und Karriere-Highlights des diesjährigen CFOs des Jahres erfahren Sie im FINANCE-Köpfe-Profil von Matthias Zieschang. Dort finden Sie auch seine persönlichen Corona-Krisenberichte aus Mai, Juni und August.